Historischer Tabakschuppen

Historischer Tabakschuppen


© Fotografien von Kurt Keller

Geschichte des historischen Tabaktrocken-Schuppens von Harthausen oder:
Warum die Harthausener „Königskinder" heißen

Text von Kurt Keller, entnommen aus dem Heimatjahrbuch des Landkreises Ludwigshafen / Rhein-Pfalz-Kreis1985  (Band I)

Spätestens seit dem denkwürdigen Ortsjubiläum im Jahre 1980 weiß man, dass die Ortsgemeinschaft in Harthausen in besonderem Maße gepflegt wird. Vielfältige Vereinsaktivitäten sind ein weiteres Indiz vorherrschender Eintracht, und auch die Kräfteverhältnisse im Gemeindeparlament künden von weitgehender Übereinstimmung. In einem allerdings war die Uneinigkeit nicht zu überbieten: Soll der einst vom bayerischen Thron errichtete und jetzt baufällig gewordene Tabakschuppen erhalten werden oder nicht? Das war die Frage, die den Ort in zwei Lager spaltete.

Zur Erhellung der Vorgeschichte ist es erforderlich, in den Annalen zu blättern: 1849 ist vorüber. Im Reich herrscht Ruhe, auch in der Pfalz, wo die Wogen der Revolution besonders hoch schlugen. Prinz Luitpold von Bayern, der spätere Prinzregent und Sanierer der Staatsfinanzen, konnte sogar eine Fahrt übers Land wagen, ohne die niedergeschlagenen Aufständischen fürchten zu müssen.

Dass eines seiner Ziele Harthausen im Bereich des Landkommissariats Speyer war, hatte seinen guten Grund: Standhaft hatten sich der Bürgermeister und die waffenfähigen Männer des Ortes geweigert, im Revolutionsjahr gegen den Thron Partei zu ergreifen. Erst als dem Dorfoberhaupt Johann Adam Schreiner nach zweimaliger Verhaftung der Tod durch Erschießen angedroht wurde und 300 Gulden Strafe gezahlt waren, stellten sich die Leute von Harthausen - immer noch widerstrebend - der provisorischen Regierung in Speyer (13. Juni 1849) zur Verfügung.

Freilich brauchten die Harthausener, obwohl sie an diesem denkwürdigen Tag im Speyerer Gasthaus „Zur Sonne" auf Kosten der provisorischen Regierung zechfrei gehalten wurden, nicht mehr ins Feld zu ziehen - die Tage der Revolution waren zu diesem Zeitpunkt bereits gezählt.

Die Harthausener hatten also eine besondere politische Treue bewiesen, und deshalb war es eigentlich nicht mehr als Recht, dass Prinz Luitpold auf seiner Pfalzreise auch hier Station machte - bei den „Känigskinner" (Königskinder), wie vor allem die Speyerer seit 1849 spotteten. Es war Sommerzeit und die Tabakernte in vollem Gange. Schuppen und Scheunen besaßen nur die besser situierten Bauern, und so mussten viele ihren Tabak zum Trocknen an die Außenwände der Häuser hängen. Dem aufmerksamen Besucher entging dies nicht, und er versprach Bürgermeister Schreiner, der ihm die Situation geschildert hatte, Abhilfe. So wurde das Königliche Landkommissariat Speyer vom Präsidium der Königlich Bayerischen Regierung der Pfalz mit Entschließung vom 23. September 1851 angewiesen, „in der Gemeinde Harthausen einen Tabakschuppen à Conto der zu seinem Disposition stehenden Polizeistraffond zu erbauen und der Gemeinde Harthausen in Anerkennung ihrer während der pfälzischen Rebellion bethätigten Anhänglichkeit und Treue zu Thron und Verfassung als Eigentum zu überweisen".

Die Baukosten betrugen 2400 Gulden und lagen mit dieser Summe etwa 20 Prozent über dem Kostenvoranschlag. Das durchweg aus Holz errichtete Bauwerk, das vom Hockenheimer Zimmermeister Schmeckenbecher gemäß Präsidialentschließung „mit Berücksichtigung der neuesten Verbesserungen im Elsaß", also entsprechend den dortigen Schuppen, gebaut wurde, war mit Sicherheit das erste seiner Art in der Pfalz.

1867 war die erste Reparatur fällig. Sie machte 369 Gulden aus - sicherlich eine erkleckliche Summe für die sparsamen Bauern. Indessen hatte die Gemeinde auch Einnahmen aus der Vermietung der 14 Lose, die immerhin an die 100 Zentner Tabak aufnehmen können: Im ersten Jahr (1852) kamen 158 Gulden und 20 Kreuzer zusammen, und 1976/77, also 125 Jahre später, hatte die Verbandsgemeindekasse Dudenhofen im Auftrag der Gemeinde Harthausen immerhin noch 337,50 Mark aus gleichem Grunde einzuheben. Wegen der nicht mehr zeitgemäßen Tabakgehänge, wegen Unwirtschaftlichkeit also, vor allem aber auch wegen der Baufälligkeit des alten Holzbauwerkes war eine Nutzung nicht mehr möglich. Trotz der in der Vergangenheit durchgeführten Reparaturen blieb das mehrschiffige Holzbauwerk in seiner seltenen Konstruktion unverändert und gilt deshalb als seltenes Beispiel seines Typs.

Diese Auffassung vertritt auch das Mainzer Amt für Denkmalpflege, das in letzter Sekunde die Beseitigung des Gebäudes verhinderte: Die hohen Instandsetzungskosten hatten den Ortsgemeinderat Harthausens zum Beschluss
für den Abriss veranlasst, und auch die Genehmigung des Kreisbauamtes Ludwigshafen war schon erteilt: Sie musste zurückgenommen werden!

Inzwischen steht der Tabaktrockenschuppen, der sich in bebauter Ortslage an der Straße nach Hanhofen erhebt, unter Denkmalschutz. Damit sind die Diskussionen - soweit sie den Abriss betreffen - fruchtlos geworden.

Anmerkung:
Am 23. Juni 1990 wurde der „Historische Tabakschuppen“ nach aufwändiger Renovierung in Regie von Architekt Norbert Hook seiner neuen Bestimmung „als Gute Stube von Harthausen“ übergeben. Bürgermeister Ludwig Remmel dankte bei dieser Gelegenheit besonders Regierungspräsident Dr. Paul Schädler, der sich in besonderem Maße für die Erhaltung des Gebäudes eingesetzt hatte.